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BAG-Urteil zur Ersetzungsbefugnis einer Rente durch Kapitalzahlung

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 17. Januar 2023 mehrere Fälle zum Thema Kapitalisierung von Renten. Zu dem Fall mit dem Aktenzeichen 3 AZR 220/22 liegt nun seit dem 23.02.2023 die erste ausführliche Urteilsbegründung vor.

Gegenstand des Verfahrens war die vom klagenden Arbeitgeber gewünschte Feststellung, dass er durch einmalige Kapitalleistung in Höhe einer zehnfachen Jahresrente den Anspruch der Beklagten aus der Betriebsrentenzusage erfüllt hat und keine Ansprüche aus der Versorgungszusage von Dezember 2000 mehr bestehen. Hilfsweise beantragte der Kläger festzustellen, dass er die Versorgungszusage aus Dezember 2000 gegenüber der Beklagten durch Zahlung einer zehnfachen Jahresrente erfüllen darf.

Die Beklagte hatte im Dezember 2000 über ein an sie gerichtetes Schreiben der Gruppen-Unterstützungseinrichtung für Berater e.V. (im Folgenden GUB) eine Unterstützungskassenzusage auf Altersrente durch den klagenden Arbeitgeber erhalten. Die Versorgungskasse behielt sich im Leistungsplan vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der 10-fachen Jahresrente zu zahlen.

Nach Beantragung der Rente durch die Beklagte teilte der Kläger mit, dass er beabsichtige ihren Versorgungsanspruch durch die Zahlung einer zehnfachen Jahresrente abzugelten und die Auszahlung mit den Entgeltabrechnungen Ende April/Anfang Mai 2021 vorzunehmen. Dies lehnte die Beklagte ab und verlangte eine monatliche Rentenzahlung.

Das BAG hat die Klage auf Feststellung im Revisionsverfahren als unbegründet abgewiesen. Zwar ging das BAG zugunsten des Klägers davon aus, dass das im Leistungsplan der GUB geregelte Recht, anstelle der zugesagten Altersrente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen, auch ihm als Arbeitgeber zusteht und von ihm ausgeübt werden kann, in der Sache hatte die Klage jedoch keine Aussicht auf Erfolg.

Die im Leistungsplan enthaltene Klausel mit der Ersetzungsbefugnis unterliegt der AGB-Klauselkontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB und ist nach Auffassung des BAG für die Beklagte unzumutbar und daher unwirksam.

Nach § 308 Nr. 4 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Der Begriff der Zumutbarkeit in § 308 Nr. 4 BGB verlangt eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an deren Unveränderlichkeit. Die Zumutbarkeit einer Leistungsänderungsklausel ist zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind.

Vorliegend blieb die durch die Ersetzung der laufenden Altersrenten zu zahlende Kapitalleistung in erheblichem Maße hinter dem Barwert der zugesagten Altersrente zurück. Das bedeutet, dass die Versorgungsempfängerin nicht eine andere - gleichwertige - Leistung, sondern eine andere geringerwertige Leistung erhalten soll. Eine solche Klausel, die eine Ersetzung durch eine nicht mindestens (bar)wertgleiche Kapitalleistung, sondern eine geringere Kapitalleistung vorsieht, ist für einen Versorgungsempfänger unzumutbar. Damit würde dem Versorgungsempfänger bereits erdientes Entgelt im Nachhinein, nämlich kurz vor Eintritt des Versorgungsfalls, zumindest teilweise wieder entzogen, obschon er seine Gegenleistungen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits vollständig erbracht hat.

Es sind nach dem BAG keine Interessen des Klägers ersichtlich (außer dem Interesse an einer Reduzierung der von ihm zugesagten Versorgungsleistungen), die dem Interesse der Beklagten am Erhalt des Wertes der zugesagten Versorgungsleistungen gleichwertig wären oder dieses überwiegen könnten.

Die Frage, ob eine ergänzende Auslegung der Klausel dahingehend, dass die Ersetzung durch eine einmalige Kapitalleistung in der Höhe des Barwerts erfolgen kann, überhaupt in Betracht kommt hat das BAG offen gelassen. Der auf die Zahlung der 10-fachen Jahresrente gerichtete Feststellungsantrag ließ für die Beantwortung der Frage keinen Raum und es wurde ein entsprechender Vorbehalt bzw. eine Bereitschaft zur Zahlung auch des höheren Barwertes vor Eintritt des Leistungsfalles durch den Kläger nicht erklärt.

Damit steht der Beklagten gegen den Kläger nach der Versorgungszusage i.V.m. dem Leistungsplan und § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG ein Anspruch auf eine monatliche Altersrente zu.

Praxishinweis: Im Anwendungsbereich der Klauselkontrolle in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (also insbesondere bei Gesamtzusagen) ist im Falle der einseitigen Ersetzungsbefugnis einer Rentenzahlung durch eine Kapitalzahlung zwingend auf eine Gleichwertigkeit der Leistungen unter Beachtung des versicherungsmathematischen Barwertes zu achten.

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